Donnerstag, 23. Januar 2014

Eisberge

Die Welt ist ungerecht ... - ... Ich weiß natürlich, dass Sie das wissen, aber man kann nicht oft genug darauf hinweisen. Das Selbstverständliche entzieht sich mit solcher Leichtigkeit unserem Blick, dass es kaum mehr wahrzunehmen ist – vor allem dann, wenn es sich dabei um Unannehmlichkeiten handelt. Man denke an den Stoßseufzer von Wittgenstein: "Wie schwer fällt es mir zu sehen, was vor meinen Augen liegt!"

Worauf ich hinaus will ist Folgendes: Haben Sie sich jemals gefragt, was wohl aus dem Eisberg geworden ist, der den Untergang der Titanic verursacht hat? Soweit ich weiß, ist er niemals für seine Untat zur Rechenschaft gezogen worden. Ich halte das für einen Skandal und eine schreiende Ungerechtigkeit. Vor allem, wenn man bedenkt, dass im Mittelalter – einer Epoche, die in vielen Hinsichten konsequenter war als unsere eigene – selbst den Holzwürmern der Prozess gemacht wurde, wenn sie durch ihren sündhaften Lebenswandel das Dach einer Kirche zum Einsturz brachten. Aber in unserer angeblich so aufgeklärten und fortschrittlichen Zeit nimmt man es einfach so hin, wenn ein stures Stück Natur es sich in den Kopf setzt, Tausende von Menschen umzubringen.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich hier eine äußerst kontroverse Ansicht vertrete. Denn die Eisberge, vor denen sich unsere Vorfahren zu Recht fürchteten, sind inzwischen zu everybody’s darling geworden. Das mediale Gerede von der sich anbahnenden Klimakatastrophe wird ja oft genug von dramatischen Filmaufnahmen begleitet, die zeigen, wie da wieder einmal ein großes Stück Eis von einem noch größeren Stück Eis abbricht. Aber kaum droht den Eisbergen selbst einmal ein unerbittliches Schicksal und kaum befinden sie sich selbst einmal in der Opferrolle, da erregen sie auch schon unser Mitgefühl und wir sehen einfach so über ihre kriminelle Vergangenheit hinweg.

Aber sie zeigen noch immer ihr wahres Gesicht – und man muss sich nicht auf eine Schiffsreise begeben, um es zu sehen. Vor einiger Zeit habe ich meinen Kühlschrank abgetaut – nach Jahren zum ersten Mal wieder – und Sie können sich vorstellen, wie es darin aussah: Der härteste und unnachgiebigste Eispanzer diesseits von Arktis und Antarktis hatte sich darin breit gemacht. Hier war nichts vom Klimawandel zu spüren. Im Gegenteil. Während überall auf der Welt das große Tauwetter angebrochen ist, herrschen hier noch immer Zustände wie in der Eiszeit. Mein Kühlschrank ist so gesehen eine Art Nordkorea, die letzte Bastion einer finsteren Zeit, die in allen anderen Gefilden unseres Planeten schon längst vorbei ist.

Aber in meinem Kühlschrank herrscht sie noch immer. Und nicht nur das. Genau wie die nordkoreanische Bevölkerung leide auch ich unter einer Nahrungsmittelknappheit. Die eisige Geschwulst hat sich nicht nur unangreifbar und unbelehrbar im Tiefkühlfach festgesetzt, nein, sie breitet sich auch immer mehr aus. Inzwischen finde ich kaum noch einen Platz, um meine Lebensmittel dort unterzubringen. So kann es nicht weitergehen: Das Eis muss weg.

Aber das dauert, bis das alles geschmolzen ist ... Also setzte ich mich vor den Fernseher, um die Zeit bis zur ersehnten Schmelze zu überbrücken. Und was sah ich da? Es war ausgerechnet der Film Eine unbequeme Wahrheit von Al Gore ... dieses Machwerk, in dem diese hinterhältigen Eiskrusten vollkommen einseitig und undifferenziert als Opfer dargestellt werden. Man kennt die Mentalität, aus der Gores Film entstanden ist: Früher war nicht alles schlecht! – und "früher" kann auch heißen: "damals ... in der Eiszeit".

Wahrscheinlich war ich an diesem Abend der einzige Zuschauer, der mit geballten Fäusten vor dem Bildschirm saß und sich dabei dachte: Recht geschieht ihnen! ... und dabei lauschte ich immer wieder in die Küche hinüber ... lauschte auf das Krachen, mit dem der Eispanzer endlich zerbricht.

Vielleicht verstehen Sie meinen Hass auf überdimensionale Eisbrocken besser, wenn Sie sich bei der nächsten Wiederholung von Titanic die ganze Zeit über vorstellen, dass genau dieser gefrorene Bastard, der an allem schuld ist, nur ein paar unbedeutende Kratzer abbekommen hat und dann unbehelligt davon trieb, als wäre nichts gewesen, um dann schließlich und endlich in den wärmeren Gefilden dahinzuschmelzen. Sie werden mir zustimmen: Ein solches schmerzloses Ende hat er nicht verdient.

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